Kreativität schön und gut, aber am Ende muss davon auch gelebt werden. Dafür gibts es die unterschiedlichsten Wege: Ausbildung, Studium, Autodidaktisches Lernen, Gründen und noch viele mehr. Wir treffen Menschen, die aktuell in ihrer Ausbildung stecken oder bereits in kreativen Berufen angekommen sind. Elena studiert Kulturwissenschaft an der Uni Koblenz-Landau und gewährt uns einen Einblick.
Liebe Elena welches Studium machst du gerade?
Ich studiere Kulturwissenschaft im Bachelor an der Universität Koblenz. Ich bin aktuell im 8. Semester eingeschrieben und schreibe an meiner Bachelorarbeit. Ich sage immer, das Studium ist super für Leute, die sich für vieles interessieren, aber nicht genau wissen was sie mal beruflich machen wollen. Es geht um eine Erfassung kultureller Phänomene, was bedeutet es geht sowohl um Praxis wie auch Theorie, aktuelle, aber auch historische Ereignisse, die lokale und globale Perspektive.
Welches Feedback hast du von deiner Familie und deinen Freunden zu deiner Wahl erhalten?
Es war eine ausgewogene Mischung aus „Was soll das sein“ und „Was macht man damit“ und ein wenig „Das passt zu dir“, Aussagen, die sich auch in späteren Semestern bei jedem Gespräch über mein Studium wiederholten. Ich hatte mich im Winter 2017 eingeschrieben, während ich noch auf das Ergebnis meiner Bewerbung an der HAW Hamburg wartete. Dadurch war das erste Semester durchgehend von der Erklärung begleitet, dass ich Kuwi nur studiere, falls es mit Illustration nichts wird. Trotz Zusage aus dem Norden entschied ich mich für Koblenz, und konnte dann folgend ebendiesen Entscheidungsprozess immer wieder als Reaktion heranziehen. Insgesamt stößt man als Kuwi aber schon auf viel Unverständnis und muss sich dauerhaft rechtfertigen.
Musstest du hierfür praktische Vorerfahrungen oder Praktika vorweisen?
Nein. Ich habe aber während des Studiums gemerkt, dass praktische Erfahrung (in meinem Fall aus einem FSJ in der JuKuWe Koblenz) von Vorteil war, um Inhalte besser einordnen zu können.
Welchen Schwerpunkt hat dein Studium? Wie ist die Verteilung der Fächer?
Das Studium der Kulturwissenschaft Koblenz bewirbt sich selbst als interdisziplinär. Es besteht aus drei Kerndisziplinen, Ethnologie, Medien- und Politikwissenschaft, und 9 weiteren, darunter Kunstwissenschaft, Geschichte und Soziologie. Beii Kuwi kann man die ersten Semester Veranstaltungen aus allen Disziplinen belegen und sich dann in eine Richtung bewegen. Beispielsweise habe ich nach den ersten zwei Semestern gemerkt, dass mich die Politische Wissenschaft neben der Kunst am meisten interessiert und in den folgenden Jahren dementsprechend Seminare gewählt.
Wie ist das Verhältnis von Theorie und Praxis in deinem Studium?
Das kommt auf die gewählten Veranstaltungen an. Anfangs hat mich der große praktische Anteil gereizt, so wird nicht nur Projektmanagement angeboten und gefordert, sondern auch viele verschiedene Praxismodule angeboten, insbesondere in den Bereichen der Ethnologie und Medienwissenschaft, aber auch der Kunstwissenschaft.
Welche Projekte erwarten einen in deiner Ausbildung/deinem Studium?
Aufgrund der Wahlmöglichkeiten gibt es entsprechend vielfältige Angebote aus den Disziplinen. Möglich sind etwa Podcast-, Film- oder Fotografieprojekte mit wechselnden Themenschwerpunkten, die je nach Seminarleitung auch ausgestellt werden. Ethnographische Feldforschungen sind per se praktisch, so habe ich beispielsweise zum Thema „Immaterielles Kulturerbe“ in einer traditionellen Töpferwerkstatt geforscht. Außerdem wird die Begleitung von „realen“ Projekten im Raum Koblenz unterstützt, die teils auch von Kuwis initiiert wurden.
Hattest du eine Lieblingsaufgabe im Rahmen deines Studiums?
Am meisten Spaß gemacht hat mir ein Kunstprojekt im Rahmen des Seminars „Minimal Art“ aus der Kunst. Nachdem wir uns in der Theorie der Kunstrichtung widmeten, erhielten wir die Aufgabenstellung, im Kleinformat von 15x15cm ungewöhnliche Materialen zu kombinieren. Da ich sonst eher klassisch mit Pinsel und Leinwand unterwegs bin, war das eine Herausforderung. Zinn-Reste musste ich mir von Bekannten zusammensammeln, die Gussform in einigen Stunden in den Werkräumen der Universität selbst herstellen und dann natürlich auch selbst gießen.
Bei welcher Aufgabe musstest Du die Zähne zusammenbeißen, um sie durchzuziehen? Welche Aufgabenstellung hat Dir den letzten Nerv geraubt?
In einem großen Medienpraxis-Modul habe ich mich für ein ethnographisches Filmprojekt zum Thema „Esskulturen“ entschieden. Da wir die Kurzfilme in Einzelarbeit erstellen sollten, musste man sich allein Herangehensweise und Script zu überlegen, Kamera, Ton und Schnitt beibringen und dabei dem Anspruch von Dozierenden zu entsprechen. Das war herausfordernd und ich war zwischendurch kurz vorm Abbruch, aber der Stolz bei der Präsentation war die Arbeit dann doch wert.
Wie gehst du mit kreativem Druck um?
Kreativer Druck ist der Grund, weswegen ich mich gegen ein reines Kunst-Studium entschieden habe. Die Forderung, auf Knopfdruck Ideen haben zu müssen blockiert mich eher in meiner Kreativität. Am besten funktioniert die bei mir, ist eine Aufgabe vorgegeben, wenn ich mich hinsetze und schriftlich Ideen und Gedanken festhalte, bis ein Muster entsteht, das einfach funktioniert.
Wurden deine Erwartungen an dein Studium erfüllt?
Insgesamt würde ich das Bejahen, ich bin aber auch mit relativ wenig Erwartungen in das Studium gestartet. Zum einen, weil ich ja noch das alternative Studium in Hamburg im Kopf hatte, und zum anderen, weil mir schon bewusst war, dass Kulturwissenschaft einen nicht auf einen festen Beruf vorbereitet. Da ich aber auch kein direktes Berufsziel hatte, war das weniger schlimm und, wie gehofft, hat sich mit höherer Semesterzahl herauskristallisiert, wohin es für mich geht. Natürlich frage ich mich manchmal, was passiert wäre, wenn ich doch Illustration oder an einer anderen Universität Kulturwissenschaft studiert hätte. Für mich war es aber die richtige Entscheidung, nach dem Abitur erstmal in der Gegend zu bleiben und jetzt, wo ich mir sicherer bin, auch „weiterzuziehen“.
Wie ist das Campusleben?
Aufgrund von Corona und einem Auslandssemester kann ich nur von vier Semestern an der Uni berichten. Von Vorteil ist auf jeden Fall, dass Koblenz eine Campus-Uni hat, das heißt die Gebäude sind nicht über die Stadt verteilt, sondern an einem Ort fokussiert. Dadurch hat man automatisch Kontakt mit Studierenden aus anderen Fachrichtungen. Ich war immer zufrieden mit der Uni-Mensa und dem Bistro mit eigenem Biergarten. Vor allem im Sommer hat man dort so manchen Nachmittag mit mehr Bier verbracht, als man ursprünglich vorhatte. Die größte Partystimmung gibt es während der Sommer-Uni, wo es typische Veranstaltungen wie Bier-Pong-Turniere, Konzerte und weitere von Studierenden veranstaltete Events gibt. Abgesehen davon könnte es aber mehr Vorträge insgesamt geben, da spürt man doch die Tatsache, dass es sich vor allem um eine Lehramts-Uni handelt.
Wie wohnst du?
Ich wohne seit dem zweiten Semester in einer WG in einem Stadtteil von Koblenz und kann das auch nur jedem empfehlen. Zuhause wohnen zu bleiben war zum einen aufgrund von veränderten Familienverhältnissen keine Option mehr, ich wollte aber auch das „richtige“ Studierendenleben mitbekommen, was durch eine weitere Anfahrt in die Stadt und zur Universität doch eingeschränkt war. Ich wohne mit drei weiteren Studenten zusammen und würde das auch als für mich ideale WG-Größe bezeichnen.
Gibt es Besonderheiten in der Stadt, in der du dein Studium machst, die sie besonders bewohnenswert machen?
Koblenz ist vor allem im Sommer wunderschön. Gelegen an zwei Flüssen gibt es viel Natur, will man nur am Rhein oder der Mosel sitzen und die Sonne genießen oder als sportliche Person in den Weinbergen wandern gehen. Alternativ kann man durch die Altstadt schlendern und das beste Eis Deutschlands essen. Kulturell gesehen ist Koblenz durch seine langjährige Geschichte für Interessierte (und Kuwis) spannend, es gibt sogar Spuren des Kolonialismus (die übrigens im von Kuwis gegründeten Verein KoblenzPostkolonial gesucht werden)! Der Karneval darf nicht unerwähnt bleiben, genauso wie die vielen Altstadtfeste. Es gibt unzählige Bars, einige Clubs und als Touri-Stadt natürlich viele Restaurants. Trotzdem ist Koblenz natürlich keine Großstadt und im Winter, bis auf den Weihnachtsmarkt und den Winterball der Universität auch etwas „verschlafen“.
Hast du schon eine Idee, welchen Weg du nach deinem Studium gehst?
Ich werde im September ein duales Studium in Mannheim beginnen, bei dem ich neben einem Studium im Messe-, Event- und Kongressmanagement bei den Reiss-Engelhorn-Museen arbeite. Der betriebswirtschaftliche Anteil ist beim Studium der Kulturwissenschaft in Koblenz quasi nicht vorhanden, weswegen ich den über das Studium nachholen und gleichzeitig Berufserfahrung in dem Arbeitsumfeld sammeln möchte, was ich mir später gut vorstellen kann. Durch die Politische Wissenschaft in Koblenz habe ich viel theoretisches Wissen über Erinnerungskultur sammeln können und glaube, dass Museumsarbeit in der praktischen Umsetzung etwas bewirken kann.
Nenne uns drei Eigenschaften, die ein*e Interessent*in unbedingt mitbringen muss, um deinen Studiengang zu bewältigen
Offenheit, Eigeninitiative und Spaß an Komplexität.
Vielen Dank an dich Elena! Welche Studiengänge oder Ausbildungen interessieren euch noch? Studiert ihr auch im kreativen oder künstlerischen Bereich oder macht dort eine Ausbildung, dann schreibt uns doch und erzählt darüber!