Ein Gespräch über das Kreativsein, den Augenblick der richtigen Idee und warum Ausstellungen immer noch cool sind.
Die Gesprächsrunde, die sich an einem Sonntagvormittag über Zoom trifft, kennt sich bereits überwiegend. Der gemeinsame Nenner ist ein Ort, eine Jugendkunstwerkstatt, die JuKuWe. Chris, Joelle, Elena, Juliane und Jewgenia verbindet, dass sie dort alle in irgendeiner Weise aktiv sind.
Auf die Frage, ob es eine JuKuWe braucht, damit die eigene Kreativität fließen kann, nicken die Köpfe auf dem Bildschirm. “Das ist ein Ort, der kreative Menschen einfach anzieht“ sagt Joelle, „es ist ein Schutzraum für Kreative, daher sind sie da gern. Kreatives Arbeiten ist auch immer ein Weg den Alltag zu verarbeiten, das kann man dort viel besser als zu Hause“. Juliane sieht es ähnlich und ergänzt, dass die Menschen vor Ort die eigene Arbeit sehr unterstützen. Der Austausch mit anderen, auch hier sind sich alle einig, ist von großer Bedeutung und unbedingt notwendig, wenn man gerade an etwas arbeitet.
Die Inspiration kommt dabei auf ganz unterschiedlichen Weisen: Chris setzt bereits Gesehenes oder Gehörtes zusammen und entwickelt auch schon mal aus Liedpassagen oder Melodien Ideen. Manchmal dauert es gar Jahre bis das fehlende Puzzleteil hinzukommt und es „Klick“ macht. Elena fühl sich zu Ästhetik hingezogen und möchte die Dinge, die sie sieht, realistisch festhalten und in ihrer Schönheit wiedergeben. Dafür lässt sie sich gern draußen oder auf Reisen inspirieren. Auch Joelle ist ein visueller Mensch: Sie bringt all ihre Eindrücke und Elemente zusammen und formt daraus Ideen für ihre Arbeiten. Auf diese Weise hat sie allein im letzten Jahr einen DIN A 4- Zettel voll bekommen.
Doch in der Regel werden nicht alle Ideen auch umgesetzt. Wie weiß man denn, dass es sich um die RICHTIGE Idee handelt? Eine, die es zu verfolgen gilt? „Bauchgefühl“, sagt Elena, „ es fühlt sich gut. Ich weiß es könnte so funktionieren und mir gefallen“. Chris und Joelle ergänzen noch, dass sich nach diesem inneren Gefühl ein Mitteilungs- und Schaffensdrang einstellt. Die Idee reife im Austausch mit anderen und zumindest eine Vorskizze entstehe dann ganz schnell.
Und wenn eine Anfrage zu einem bestimmten Thema an sie gerichtet wird, dann funktioniert es ähnlich – nur der Ideenfindungsprozess ist ein anderer. Da haben alle so ihre eigenen Herangehensweisen: Elena setzt sich aktiv dran und arbeitet mit Mindmaps, Juliane beschäftigt sich mit dem Thema und lässt es etwas liegen, um ein bisschen Abstand zu bekommen, Chris sucht nach einem persönlichem Zugang und Joelle greift auch mal auf bereits bestehende Ideen zurück.
Auch, wenn „Auftragsarbeiten“ herausfordernder sind, da sie den Konflikt mit sich selbst provozieren, möchten alle sie nicht missen, denn gerade sie fördern die eigene methodische UND persönliche Entwicklung.
Und wenn die viele Arbeit, die in einem Werk steckt, später in der Öffentlichkeit ausgestellt wird, dann ist das „ein Gefühl gesehen zu werden“. Sie werde wahrgenommen, obwohl sie erst 18 Jahre alt sei, freut sich Juliane. Andere durch eigene Kunst zu inspirieren, sich mit ihnen zum eigenen Arbeiten auszutauschen, andere Methoden und Techniken zu sehen und schließlich auch das eigene Netzwerk zu erweitern, das würden Ausstellungen mit sich bringen. Und das ist „schon, ganz schön cool!“, ergänzen Elena und Chris.
Wo drückt der Schuh?
Eine virtuelle Ausstellung im rheinland-pfälzischen Landtag in Mainz
Elena, Chris, Joelle und Juliane haben jeweils einen Beitrag zur virtuellen Ausstellung mit dem Titel „Wo drückt der Schuh?“ kreiert. Jewgenia hat ihnen drei Fragen zu ihren Arbeiten gestellt.
Das Thema „Wo drückt der Schuh?“ ist ja nun sehr breit und zeitgleich eher problemorientiert geprägt. Wie habt ihr einen Zugang zum Thema gefunden?
Chris: Schuhdrücken ist natürlich nicht schön. Und für mich war es nicht positiv behaftetet. Von der Ideenfindung hat es bei mir lange gedauert bis ich dazu eine Idee hatte, weil ich zuerst von einem ganz großen Thema, das die ganze Welt beschäftigt, ausging. Als ich es dann zu „Wo drückt MEIN Schuh?“ gemacht habe, hatte ich den Zugang gefunden.
Joelle: Die Idee, die ich hatte war direkt da, weil ich mich zu dem Zeitpunkt über bestimmte Dinge sehr aufgeregt habe. Und es immer noch tue. Mich beschäftigen aktuell Probleme in der Welt, da hat es hat vom Titel her gut gepasst. Ich musste nur überlegen, wie ich es umsetzen konnte, ohne ein zu großes Budget zu beanspruchen. Ich wollte meine Idee unbedingt umsetzen und bin da sofort kopfüber eingetaucht.
Juliane: Ich habe mich bisschen schwergetan. Ich hatte nicht sofort einen Zugang und hatte somit einen schweren Einstieg.
Elena: Mir ging es ähnlich wie Chris. Ich war zunächst ebenfalls bei Weltproblemen. Aber als ich auf eine persönliche Ebene gewechselt habe, fand ich es einfacher für mich einen Zugang zu finden.
Könnt ihr uns einen Einblick in eure Ideenfindung geben?
Chris: Ich hatte im letzten Jahr tatsächlich einfach gar keine Zeit für Kreativität. Durch das Homeoffice verschwammen die Grenzen von Arbeiten und Leben. Ich war ganz oft ganz ausgelaugt und entschied mich am Ende des Tages oft eher für die Couch als für die Kreativität. Daher ist mein Thema des Werks auch die Work-Life-Balance. Dazu habe ich zwei Schuhe als Waagschalen einer Waage arrangiert. Auf der einen Seite ein Businessschuh, der für die Arbeitswelt steht und auf der anderen eine Adilette, die die Freizeit symbolisiert.
Juliane: Mir fehlen Formate, bei denen man sich als junger Mensch nachhaltig beteiligen kann. Es gibt da zwar vereinzelte, wie z.B. den Jugendrat in Koblenz, aber es sollte noch viele mehr geben aus denen man wählen könnte. Daher ist mein Schuh sehr abgeschnürt, weil mir dieser Freiraum fehlt.
Elena: Ich habe eine Kombination aus Leinwand und Schuhen gewählt. Mein Bild behandelt die Frage, welche Spuren ich hinterlassen möchte. Es ist ein Selbstportrait, welches mich zeigt wie ich meine Schuhsohlen anmale. In der Zeit als das Bild entstand, habe ich mich persönlich viel mit meiner Zukunft beschäftigt und beim Malen viel drüber nachgedacht. Im Bild steckt das Gefühl, nicht wirklich etwas verändern oder Spuren hinterlassen zu können. Ich frage mich, ob es überhaupt möglich ist, nachhaltig etwas zu verbessern oder zu ändern da Strukturen in Politik und Wirtschaft so festgefahren erscheinen. Daher vielleicht doch eher den Fokus auf sich selbst legen?
Joelle: Als ich mich begonnen habe mit dem Thema zu beschäftigen, ging es im Rahmen von Corona viel um das Abwägen zwischen Wirtschaft und Gesundheit. In dieser Diskussion tauchten dann auch wieder die Heizpilze für die Restaurants auf, trotz der Tatsache, dass wir eben aufgrund von Corona, einen guten ökologischen Fußabdruck hatten. In diesem Moment war das Thema Umweltschutz der Politik wieder egal. Ich habe viel zum Thema Fast Fashion angesehen und mich damit beschäftigt. Mein Werk zeigt die Menschen auf der anderen Seite der Welt, die den billigen Schuh für uns herstellen und auf der anderen Seite eben diesen weißen Sneaker, der über das Wasser läuft als würde die Herstellung die Person, die ihn trägt, nicht betreffen. Das war meine Wut auf die Politik. Da kam das Thema zum richtigen Zeitpunkt.
Die Landespolitik hat das Projekt initiiert. Inwiefern ist es für euch wichtig daran teilzunehmen?
Juliane: Man zeigt, dass das Interesse da ist! Ich bringe mich ein und zeige dadurch, dass ich da bin. Also bitte mehr davon!
Joelle: Es bietet mir Raum für meine Kritik. Es ist eine Kritik an der derzeitigen Politik selbst und wenn man schon von ihr gefragt wird, dann sollte das Format auch genutzt werden.
Chris: Der partizipative Gedanke ist hier reizvoll. Die Werke werden im Landtag ausgestellt. Vielleicht sehen es Menschen, die sich für die künstlerischen Aspekte interessieren und die darüber einen Zugang zu unseren Themen finden. Im letzten Jahr haben die Kunst- und Kulturszene wirklich gelitten, da sollte man den Raum, der einem gegeben wird, auch nutzen.